Mit Querschnittsverletzung auf den persönlichen Mount Everest 

Ein Everesting mit Querschnittsverletzung? Klingt unrealistisch und absurd. Und doch hat sich Maurice-André in den Kopf gesetzt: Er will es versuchen. Dass es am Ende für ihn keine 8848 Höhenmeter sein würden, war ihm von Anfang an klar. Aber die Herausforderung, Höhenmeter zu sammeln, reizte ihn doch so sehr, dass er im Juni 2024 beim ALPIN8 Everesting an der Startlinie stand.

Maurice-André hatte 2020 einen Unfall mit dem Gleitschirm, der zu einem  Wirbelbruch und damit einer Lähmung der unteren Extremitäten (beide Beine und Hüfte) führte. Die Ärzte sagten ihm, er müsse sich an den Rollstuhl gewöhnen, denn er würde nie wieder laufen können. Doch Maurice-André gab sich mit dieser Aussage nicht ab, er wollte und konnte sie nicht akzeptieren. 

Nach monatelanger Therapie und vielen hundert Stunden Training merkte er erste Veränderungen in seinen Beinen. Ganz langsam kam ein minimales Gefühl zurück. Angespornt von diesem Fortschritt ließ Maurice-André nicht locker, sondern war umso motivierter. Er stellte fest: Da ist noch was. Wenn er dran bleibt und hartnäckig weitermacht, dann wird er sich vielleicht doch irgendwann wieder auf zwei Beinen fortbewegen können.

Erstmals eine Strecke von 500 Metern, später: 42 Kilometer

Ein Aufenthalt in einer Spezialklinik in den USA und viele weitere Trainingsstunden später, steht Maurice-André wider Erwarten tatsächlich wieder auf seinen Beinen. Er bewältigt unter großer Anstrengung erstmals eine Strecke von 500 Metern. Und damit nicht genug. Mittlerweile ist Maurice-André wortwörtlich wieder so gut auf den Beinen unterwegs, dass er regelmäßig bei Sport-Events mitmacht und dort eine Inspiration für die anderen Teilnehmenden und Zuschauenden ist. In 24 Stunden ist er letztes Jahr bei einer Veranstaltung einen Marathon gelaufen: 42 Kilometer!

Nun also eine neue Herausforderung: nicht mehr “nur” laufen in der Ebene, sondern bergauf. Steil bergauf. In der Vorbereitung für ALPIN8 absolvierte Maurice-André an einem Trainingstag 300 Höhenmeter, mehr, als er seit seinem Unfall je geschafft hat. Ein Aufstieg bei ALPIN8 hat 530 Höhenmeter und mindestens zwei davon hat er sich vorgenommen. 

Der erste Aufstieg startet gemeinsam mit 150 anderen Teilnehmenden, die sich früh morgens um 05:00 an der Talstation der Palüdbahn auf den Weg zum Gipfel ihres persönlichen Mount Everest machen. Maurice-André ist motiviert, er läuft mit seinen Gehhilfen im Pulk der Gruppe mit. Als es vom Forstweg in den Wald auf einen schmalen Pfad geht, wird es für ihn allerdings weitaus schwieriger als für den Rest der Gruppe. Es ist nass, rutschig, die Wurzeln haben keinen Gripp und der Weg entlang des Wasserfalls ist steil. 

Es wird noch schwieriger für ihn

Bei der ersten Verpflegungsstation legt Maurice eine längere Pause ein. Es kostet ihn enorm viel Kraft, den unwegsamen Pfad hinaufsteigen. Doch tatsächlich soll es für ihn noch schwieriger werden: Denn nach der Station wartet ein Steilhang über eine Skipiste, auf der es nach den starken Regenfällen der letzten Tage sehr, sehr rutschig ist. Er kämpft sich langsam bergauf, nimmt sich Zeit, geht es ganz ruhig an. Er bekommt Hilfe von den anderen, die ihn überholen und ist gleichzeitig für sie eine große Inspiration: Denn wenn Maurice-André unter diesen Umständen alles gibt, dann muss man selbst auch alles aus sich herausholen.

Als er nach mehreren Stunden oben im Summit Camp ankommt, ist Maurice-André ganz schön erleichtert. Er macht eine lange Pause, isst, trinkt und nutzt die Recovery Lounge von BLACKROLL. Dann gehts mit der Bahn wieder runter und zum zweiten Aufstieg. 

Aufgrund der Wetterbedingungen ist nun auch die Nachtstrecke geöffnet: eine Forststraße, die sich unter relativ gleichmäßiger Steigung den Berg hinauf schlängelt. Wie gemacht für Maurice-André – hier fühlt er sich wie auf einer Schnellstraße. Natürlich ist die Belastung für ihn weiterhin enorm, aber es geht doch um einiges besser, als auf dem schmalen Bergpfad. 

Völlig erschöpft erreicht er seinen zweiten Gipfel

Nachmittags erreicht Maurice-André seinen zweiten Gipfel. Hinaufgetragen hat ihn unter anderem die Vorfreude auf die Snacks im Summit Camp. “Da gab es so viele leckere Sachen, das war richtig cool!” Völlig erschöpft beschließt er mit Blick auf die regnerische Wettervorhersage, eine Pause im Auto einzulegen, sich auszuruhen und nach dem schlimmsten Regen einen dritten Aufstieg zu probieren.

Doch dazu kommt es nicht. Wir alle kennen es: Wenn man sich hinsetzt, der Körper runterfährt und in den Erholungsmodus übergeht, ist es manchmal unmöglich, sich wieder aufzuraffen und weiterzumachen. Und wenn man sich über 1000 Höhenmeter mit Gehhilfen den Berg hinauf gekämpft hat, ist dieses Gefühl vermutlich noch viel überwältigender. Maurice-André erzählt später, dass alle seine Gelenke geschmerzt haben. Seine Handgelenke, Ellbogen und Schultern vom Hochstemmen des eigenen Körpergewichts, seine Beine von der ungewöhnlichen Belastung, den steilen Berg hinaufzulaufen. 

„Vielleicht hätte ich drei oder sogar vier Aufstiege geschafft“

“Tatsächlich war es der erste Aufstieg über den Pfad, der mich extrem erschöpft hat”, berichtet Maurice-André im Anschluss. “Wäre die Nachtstrecke von Anfang an offen gewesen, hätte ich vielleicht drei oder sogar vier Aufstiege geschafft.” 

So oder so: Seine Leistung war unglaublich! Und sie zeigt, dass der eigene Mount Everest für jeden etwas ganz persönliches ist. Es müssen nicht die 8848 Höhenmeter sein, um an seine absoluten Grenzen zu kommen und Großartiges zu leisten. Maurice-André stand nach unglaublichen 1076 Höhenmetern auf seinem ganz persönlichen Mount Everest. Er hat uns gezeigt, dass trotz Querschnittsverletzung so viel mehr möglich ist, als andere einem zutrauen. Solange man selbst an sich glaubt und hart, hart arbeitet.

Text: Saskia Bauer
Bilder: Marius Holler, Sportograf, privat

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