Unsere erste Begegnung mit Johannes war bei einem unserer Info-Videogespräche zu ALPIN8. Er nahm im Januar teil, stellte ein paar Fragen und verabschiedete sich dann recht zügig mit den Worten “Ich meld mich jetzt direkt an, tschüss an alle!” Keine halbe Stunde später traf tatsächlich seine Anmeldung bei uns ein. Für Johannes war klar: Er macht das jetzt einfach. Nicht lange zögern und überlegen, sondern einfach durchziehen.
Und genau so ging er dann auch seine Vorbereitung an. Bzw. eben nicht – denn vorbereitet hat Johannes sich auf sein Everesting mit ALPIN8 quasi überhaupt nicht. Lediglich zwei Mal sei er auf den Wendelstein gelaufen. Kein Treppenlaufen im Fitnessstudio, keine ausgedehnten Bergwanderungen, keine morgendlichen Joggingrunden oder lange Nachtwanderungen. Getreu des Mottos: Ich mach das jetzt einfach.
„Ich lass es einfach drauf ankommen.“
Johannes arbeitet im Baugewerbe und ist viel auf den Beinen unterwegs. Sein Berufsalltag ist abwechslungsreich, er ist immer in Bewegung. Im Urlaub ist er immer mal wieder auf Weitwanderwegen unterwegs und geht insgesamt recht gerne in die Berge. Dementsprechend ging er davon aus, dass seine Grundfitness schon ausreichen würde. Tatsächlich war er explizit neugierig, ob er ein Everesting auch ohne spezielles Training schaffen würde und hat sich ganz bewusst dazu entschieden, nicht extra zu trainieren. Johannes wollte wissen, wie weit sein Körper ohne Training kommt: “Ich lass es einfach drauf ankommen.”
Entscheidend dafür war für Johannes, dass ein organisiertes Event wie ALPIN8 eine gesicherte Umgebung bietet. Einen Rahmen, in dem er an seine absolute Leistungsgrenze gehen kann und weiß, dass er nicht alleine ist. “Natürlich könnte ich das auch einfach nur für mich in den Bergen machen. Aber da lieg ich dann am Ende irgendwo und keiner weiß, wo ich bin.” Der Sicherheitsaspekt war für Johannes entscheidend, warum er sich zu ALPIN8 angemeldet hat.
Als Johannes am Abend vor dem Start in seinem Hotelzimmer sitzt und nochmal alle Unterlagen und Emails von uns durchliest, wird ihm langsam richtig bewusst, worauf er sich da eingelassen hat. “Da bin ich schon ein bisschen nervös geworden. Vielleicht war ich doch auch ein bisschen blauäugig, mich anzumelden.” Aber es hilft ja nichts. “Egal, jetzt bin ich schon hier, ich zieh das jetzt durch”, sagt er sich und steht dann am Tag drauf früh morgens um 05:00 Uhr beim Start.
Meistens wird er überholt. Aber das macht ihm nichts aus.
Von Anfang an geht Johannes sein eigenes Tempo. Langsam, stetig und gemütlich. “Ich bin ein Muli, ich gehe langsam”, sagt er über sich selbst. Keine schlechte Strategie beim Everesting – denn 8848 Höhenmeter sind verdammt lang. Wer zu früh zu schnell geht, schafft es womöglich nicht. Er denkt sich: “Ich muss mir meine Energie aufsparen.”
Meistens sei er überholt worden, von manchen anderen Teilnehmenden im Laufe des Events auch zwei oder drei Mal. Das habe ihm aber nichts ausgemacht, ihm gehe es nicht um ums Sportliche, sondern um das Erlebnis an sich. Darum, wie sein Körper und Geist auf die Herausforderung reagieren, wie er damit umgeht, wie er die Umgebung wahrnimmt und was er auf seinem Weg in der Natur sieht, hört und riecht. Den eintretenden Regen kommentiert Johannes mit den Worten: “Das war toll. Die Natur riecht dann ganz anders.”
Außerdem ist der Regen wider aller Erwartung für ihn ein richtiger Motivations-Boost. “Jetzt erst recht!” war Johannes erster Gedanke. Der Regen verändere den Charakter, die Dramatik, des Events. Er mache die Herausforderung von 8848 Höhenmetern noch schwieriger. “Ich wollte mir beweisen, dass ich auch damit umgehen kann!”
Nah dran, sich wundzulaufen
Drei Runden läuft Johannes im strömenden Regen. Genießt den Wetterumschwung regelrecht. Doch gegen 21:30 Uhr trifft er in der Gondel einen anderen Teilnehmer, der sich durch seine feuchte Kleidung die Haut wundgescheuert hat und bei jedem Schritt große Schmerzen hat. Er gibt ihm sein Döschen Kaufmanns Kindercreme, weil er weiß, dass er im Auto noch mehr davon hat und nimmt die Situation als Anlass, in sich selbst reinzufühlen. “Da hab ich gemerkt, dass auch ich nah dran bin, mich wundzulaufen.” Er beschließt eine Pause einzulegen, fährt mit dem Auto in sein Hotel, nimmt eine heiße Dusche, schläft ein paar Stunden und steht dann am Sonntagmorgen um 05:00 Uhr in frischer, trockener Kleidung wieder an der Talstation der Palüdbahn, bereit für den nächsten Aufstieg.
Für Johannes funktioniert der Forstweg der Nachtstrecke besser als der schmale Pfad durch den Wald, der für tagsüber vorgesehen war. Aufgrund des nassen Wetters sind beide Strecken geöffnet und er entscheidet sich meistens für den zwar langweiligeren und monotonen, aber eben auch einfacheren Forstweg. “Ich brauche meinen konstanten Schritt-Rhythmus.“ Mit dieser Strategie geht es ihm gut und er hat kein einziges Mal das Gefühl, es gehe nicht mehr weiter.
„Es wäre tatsächlich noch mehr gegangen!“
Im Zieleinlauf lässt er seinen konstanten Schritt dann allerdings doch sein und spurtet jubelnd durch die Fahnenallee. Ziel erreicht: 8848 Höhenmeter. Ganz ohne Training und ohne größere körperliche Probleme. “Am nächsten Tag hatte ich schon Muskelkater, aber im Großen und Ganzen ging es mir prima!” Außerdem hat er die überwältigende Erkenntnis, dass noch mehr gegangen wäre. “Ich hätte noch einen Aufstieg geschafft, vielleicht sogar zwei. Es wäre tatsächlich noch gegangen!”
Insbesondere während der ersten beiden Wochen nach dem Event denkt Johannes oft an das Erlebte zurück. In gewissen Alltagssituationen hat er plötzlich einen ganz anderen Blickwinkel. “Es war sehr eindrücklich. Ich bin noch immer am Lernen, was ich aus dieser Erfahrung alles rausziehe.” Doch schon jetzt, wenige Wochen nach seinem Erfolg, weiß Johannes: “Es ist so viel mehr möglich, als man normalerweise annimmt.” Das erzählt er auch seinen Bekannten – und langsam weicht das anfängliche Unverständnis der Überlegung, dass man sowas vielleicht auch mal selbst machen könnte.
Ein saucooles Event!
“Das Event war einfach saucool. Richtig, richtig stark!”, ist Johannes abschließendes Fazit. Nur mit einer Sache ist er sich noch nicht ganz sicher: “Wie geht man denn jetzt mit einer Tageswanderung von 1300 Höhenmetern um, wenn man weiß, dass man schon mal 9000 Höhenmeter in 34 Stunden gelaufen ist?!”
Text: Saskia Bauer
Bilder: Marius Holler, Sportograf, privat